In den ersten Wochen in Neuseeland hatte ich schon einiges vom Land gesehen, doch bisher hatte ich eigentlich so gut wie keinen Neuseeländer getroffen, der nicht in irgendeiner Form in der Tourismusindustrie angestellt war und entschloss ich mich endlich ein paar Neuseeländer kennenzulernen, bastelte mir ein Pappschild mit der Aufschrift "Kaikoura" und spazierte mit meinem Rucksack auf dem Rücken in Richtung des Highways von Christchurch nach Kaikoura und hielt dabei den Daumen raus. Noch bevor ich am Highway angekommen war, drehte auch schon ein Wagen, der gerade an mir vorbei gefahren war, um und sammelte mich ein. Am Steuer saß Daniel, Anfang 40, der gerade seine Schicht im Casino von Christchurch beendet hatte und zu seinem Haus außerhalb von Christchurch zurück fuhr. Er konnte mich somit zwar nicht weit mitnehmen, aber zumindest genau auf dem Highway rauslassen, auf dem alle Autos in Richtung meines Ziels fahren. Wir unterhielten uns vor allem über Christchurch und wie es mit dem über ihm baumelnden Damoklesschwert der anhaltenden Erdbeben umgeht und ich war beeindruckt vom Bild, das Daniel von den Menschen in Christchurch zeichnete und dass dort eigentlich niemand in Panik oder Verzweiflung ausbricht, obwohl es viele Familien äußerst schwer getroffen hat.
Am Highway ließ er mich dann raus und nach wenigen Minuten hielt ein junger Kerl von 19 Jahren, der mich in seinem ziemlich abgewrackten Corolla für die nächsten 10 km mitnahm. Er selbst hatte Neuseeland noch nie verlassen und war deshalb total interessiert an meinen Reisegeschichten, denn aktuell arbeitet er in der Landwirtschaft und verdient gutes Geld, um sich dann in den nächsten Jahren auch ein paar Reisen leisten zu können, vielleicht irgendwann in den USA bei der Ernte helfen zu können und dort die riesigen Erntemaschinen fahren kann. Nach kurzer Zeit trennten sich dann unsere Wege und ich stand wieder an einer Haltebucht am Highway und der Verkehr raste an mir vorbei.
Hier musste ich fast eine halbe Stunde warten, doch dann erwischte ich einen Jackpot in Form von Richard, der mich bis zu meinem 150km entfernten Ziel Kaikoura mitnehmen sollte.
Richard, 63, grauhaarig und mit einem schicken Neuwagen unterwegs, war auf dem Weg nach Picton, wo seine Frau schon zu Besuch bei zwei Freunden war, mit denen sie das bevorstehende lange Wochenende zusammen verbringen wollten. In seiner Jugend war Richard selbst drei Jahre am Stück gereist, u.a. war er in den 60ern von London in den Irak getrampt. Da kam mir meinen kleines Trampingabenteuer in NZ aber doch mal ein wenig kümmerlich vor. Die Unterhaltung mit Richard war hervorragend und irgendwann waren wir dann bei dem aktuell wohl beliebtesten Disksussions-Thema zwischen Interkontinentalreisenden angekommen, der Euro- / Griechenland- / PIGS- / westliches Finanzsystem- KRISE.
Wir hatten ein wirklich interessantes Gespräch, an dessen Ende ich vor allem eins mit großem Stolz feststellen durfte: Ich hatte mich soeben 1 1/2 Stunden auf Englisch über verdammt komplexe politische und wirtschaftliche Sachverhalte unterhalten, ohne dass es mich sonderlich angestrengt hätte. Ein gutes Gefühl.
In Kaikoura lud ich Richard noch auf eine Tasse Kaffee ein, so dass er sich mit frischem Kopf auf die letzten 200 km nach Picton machen konnte und so endete mein erster Tag als Hitchhiker.
Da auch die nächsten Hitchhiking-Bekanntschaften sehr interessant waren, will ich sie direkt hier nachschieben:
- Sarah (Anfang 30): Sie kam gerade von einem einwöchigen Mittelalter-Rollenspiel-Festival in Christchurch und hatte das komplette Auto voll mit Schwertern, Gewändern, Zelten, Bögen und was man sonst alles noch so braucht, um eine Woche wechselnd als Ritter oder als Lady zu verbringen. Zuerst konnte ich kaum glauben, dass es in einem Land, in dem es während des Mittelalters nicht mal Menschen gegeben hatte, Mittelalterfestivals gibt, aber Sarah konnte mir sehr lebhaft schildern wie es dort so zugeht.
- Clive (83 Jahre!): Ich hatte fast eine halbe Stunde gewartet, als endlich ein Auto sehr langsam vor mir ausrollte. Am Steuer saß ein sehr, sehr alter Mann, der auch erstmal nichts sagte, aber als ich ihn fragte, ob er nach Nelson fährt knapp bejahte. Okay... Ich packte meinen Rucksack auf den Rücksitz und nahm auf dem Beifahrersitz Platz und stellte mich vor. Er antwortete mit "Clive". Okay... Clive war ein wirklich ungewöhnlicher Typ, doch je länger die Fahrt dauerte, desto gesprächiger wurde er und so konnte ich feststellen, dass Clive zwar weder Wein, noch Bier wirklich mag (was bei einem Neuseeländer vielleicht noch ungewöhnlicher ist als bei einem Deutschen), so gut wie kein Fernsehen schaut, auch keinen ausgeprägten Musikgeschmack hat und auch sonst konnte ich nicht erkennen was Clive wirklich gerne macht, aber irgendwie war dieser Typ weit davon entfernt griesgrämig zu sein und entpuppte sich als durchaus unterhaltsamer Geselle (auch wenn wir hier definitiv nicht vom Typ Alleinunterhalter sprechen ;)). Und so trennten sich unsere Wege in Nelson und ich verabschiedete mich und dankte dafür, dass er mich mitgenommen hatte und Clive dankte mir für die gute Unterhaltung - sonst wären die langen Fahrten doch recht langweilig - und weg war er. Clive... ein guter Typ!
- Frank (Anfang 30, Tscheche und somit der erste Tourist der mich mitgenommen hat): Frank hat mich mit seinem riesigen Campervan, den er selbst umgebaut hat aufgegabelt. Eigentlich hatte er vorgehabt mit einer Freundin zu reisen, doch wenige Wochen nach Beginn ihrer Reise haben sich ihre Wege bereits getrennt, da - laut Frank - die Freundin nicht mit dem zu zweit reisen klar kam, sondern lieber ihr eigenes Ding machen wollte. Natürlich habe ich Frank versichert, dass das aus meiner Sicht das Beste war was ihm passieren konnte, da das mit solch einer Reisebegleitung bestimmt eh kein großer Spaß geworden wäre und er so sicher viel mehr spannende Menschen kennenlernen würde. Den Rest der Fahrt kreiste die Unterhaltung dann primär um Bier. Tschechisches, Deutsches und Neuseeländisches.
- Frank hatte mich gerade an einem Kreisverkehr raus gelassen und ich den Daumen gehoben, da hielt auch schon das erste Auto an. Den Namen des freundlichen Neuseeländers habe ich leider vergessen, aber auf dem Rücksitz saß seine süße kleine Tochter Maddy (5 Jahre - auch wenn sie zu schüchtern war mir das selbst zu verraten). Zwar konnte er mich nur 6 km mitnehmen, aber als letztes Manöver überholte er noch schnell einen lokalen Bus, der mich dann für 3$ bis kurz vor mein Hostel mitnahm.
Das waren meine bisherigen Hitchhiking-Bekanntschaften und ich bin wirklich froh diese Menschen kennengelernt zu haben, denn sie haben mir allesamt gezeigt wie herzlich und locker die meisten Kiwis sind.
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